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  • Anne Stevens

»48 Stunden ...« Blogroman Teil 11


Gerrit. »Haben Sie mal über ein Hotelzimmer nachgedacht?« Der Monteur grinste dermaßen frech auf Katja und Gerrit herab, dass Gerrit ihm am liebsten einen Tritt verpasst hätte. Dazu noch einen Extra-Tritt, weil er spürte, wie Katja sich blitzartig zurückzog. Lächerlich, sie waren keine ertappten Kinder, die mit Ärger rechnen mussten. Umso mehr ärgerte es ihn, dass der Monteur ihr dieses Gefühl gab.

Widerwillig erhob er sich, was zumindest die Größenverhältnisse änderte. Nun reichte ihm der Scheitel des Mannes, dessen Overall mit dem Namen der Aufzugfirma bedruckt war, gerade noch bis zum Kinn. Er trat einen Schritt von Gerrit weg.

Der verschränkte die Arme vor der Brust, nahm den Kopf leicht zurück und setzte seinen erprobt kühlen Blick auf. »Sie halten das für einen Witz, richtig? Anscheinend ist Ihnen nicht klar, wie viel Zeit seit dem Notruf verstrichen ist.«

Der Mann schluckte. Immerhin, schien er zu begreifen, dass Gerrit ihm Ärger bedeuten könnte. »Sorry, wir haben hier niemanden vor Ort und die Notrufzentrale ist unterbesetzt. Hat ein bisschen bedauert, bis die Nachtschicht die Meldung gesehen hat«, sagte er lahm und fügte etwas Eifriger hinzu: »Ich habe mich aber gleich, nachdem man mich verständigt hatte, ins Auto gesetzt. Waren ganze dreihundert Kilometer.«

Gerrit verdrehte die Augen. »Soll ich Sie jetzt loben?«

»Na ja, ein klein wenig Dankbarkeit wäre schon angebracht«, hatte der Mann die Stirn zu maulen.

Was Gerrit nur noch finsterer dreinblicken ließ. Er holte gerade Luft, um seinen Ärger über dem Monteur auszukübeln, da klinkte Katja sich ein.

»Klar sind wir Ihnen dankbar. Und wie. Sonst hätten wir doch das ganze Wochenende auf dem harten Flurboden verbringen müssen.«

Das anzügliche Grinsen, mit dem der Mann daraufhin ihren zerwühlten Haarschopf und die geschwollenen Lippen bedachte, brachte Gerrit dazu, sich in sein Blickfeld zu schieben – obwohl er wusste, dass Katja sich sehr wohl allein verteidigen konnte.

»Was die junge Dame sagen will, ist, dass Sie froh sein können, uns vor Ablauf des Wochenendes hier rausgeholt zu haben.« Irgendetwas ritt Gerrit, sich wie ein waschechter, lupenreiner Arsch zu benehmen. »Trotzdem werde ich Ihre Firma wissen lassen, wie lapidar Sie hier hereinschneien, statt uns inständig um Verzeihung zu bitten. Offenbar sind Sie sich der Tragweite der Angelegenheit nicht bewusst. Was, wenn einer von uns Diabetiker wäre und sein Insulin bräuchte?« Shit, er wusste, dass er sich gerade total lächerlich machte und besser einfach gehen und die Klappe halten sollte. Aber irgendetwas stachelte ihn hartnäckig an. »Nur zu Ihrer Information: Menschen mit Platzangst wären in dem Fahrstuhl durchgedreht.«

»Ähm ... ja«, der Mann zog die Kappe mit der Firmenaufschrift ab und kratzte sich wie ein wandelndes Klischee am Kopf. »Dann will ich mal sehen, warum er ausgerechnet auf dieser Etage stehengeblieben ist.«

Er trollte sich, was Gerrit zum Anlass nahm, sich wieder Katja zuzuwenden. Die starrte ihn finster an. »Spinnst du? Was sollte das? Wieso kannst du nicht einfach danke sagen?«

Gerrit hätte sich lieber die Zunge abgebissen, als ihr zu erklären, wie ihn der blöde Spruch mit dem Hotelzimmer auf die Palme gebracht hatte. Denn tatsächlich wäre er nicht abgeneigt gewesen. Stattdessen machte er sich daran, die Yoga-Matte aufzurollen und sie in Katjas Sporttasche zu verstauen.

Ungerührt sah sie ihm dabei zu.

»Bei mir muss sich anscheinend niemand bedanken«, maulte er dabei.

Sie schenkte ihm einen Seitenblick so voller Ironie, dass Gerrit sich nur noch blöder vorkam.

Dann ging ihm auf, was ihn so wurmte. Es war nicht der Monteur. Klar, der Kerl war ein Idiot, aber davon gab es viele. Wenn er die alle abkanzeln wollte, hätte er den ganzen Tag zu tun. Vielmehr war es die simple Tatsache, dass er sich auf ein Wochenende mit Katja gefreut hatte. Das hätte für seinen Geschmack zwar ruhig komfortabler ausfallen können, aber insgesamt gefiel es ihm, mit ihr allein zu sein. Und da das ohne den Fahrstuhlausfall und die abgeschlossene Brandschutztür nie passiert wäre, hatte er sich mit dem Gedanken an den Flur arrangiert.

Mit mahlenden Kiefern, die alberne Häkeltasche über seiner Schulter, folgte er Katja die Treppe hinab ins Foyer.

Wie sollte es denn jetzt weitergehen? Sie würde am Montag nicht wiederkommen. Erst zur Urlaubsvertretung in ein paar Monaten. Falls sie bis dahin keinen anderen Job fand, mit dem sie ihr Yoga-Studio über Wasser halten konnte. Wenn sie jetzt ging, würden sich ihre Wege nicht zufällig kreuzen. Vielleicht sähe er sie nie wieder.

Aha! Und warum fragst du sie nicht einfach und bittest um ein Date? Seine innere Stimme redete ihm gut zu. Dass Katja plötzlich ziemlich unschlüssig dastand und keine Anstalten machte, ihm den Häkelsack abzunehmen, ließ ihn hoffen.

»Du weißt, dass die achtundvierzig Stunden noch nicht um sind?«, sagte Gerrit betont forsch.

»Äh ... und das ist wichtig, weil ...?« Sie zuckte die Achseln.

Aber das täuschte ihn nicht. Er hätte ›eine Runde nackt um den Alex joggen‹ darauf verwettet, dass sie ebenfalls enttäuscht war.

»Das heißt, dass wir noch ein paar Stunden vor uns haben. Hier geht’s lang.« Gerrit deutete einen altmodischen Diener an, wobei er eine auffordernde Geste in Richtung Tür machte. »Nach dir!«

Katja zog ihr hübsches Näschen kraus und machte kreisrunde Augen, wozu sich die Lippen kräuselten. Die perfekte Imitation eines Fragezeichens. Doch diesmal hatte sie keine spitze Bemerkung für ihn. Sie hakte auch nicht nach. Stattdessen lief sie artig auf die Tür zu.

Gerrit ließ den Blick über ihre Kehrseite schweifen. Das Streublümchenkleid schmeichelte ihrem runden Po und schwang leicht um ihre schlanken Beine. Dazu wippte das Haar seidig weich im Takt. Gerrit folgte ihr und spürte, wie sich ein Grinsen auf seine Lippen legte.

Als sie den Parkplatz betraten, schloss er auf und bedeutete ihr, sich links zu halten. Gleichzeitig drückte er auf die Zentralverriegelung und die Scheinwerfer blinkten kurz auf.

»Sagst du mir, was wir vorhaben?«, fragte Katja amüsiert.

»Tja, wie ich es sehe, haben wir die Wahl. Zu dir oder zu mir. Falls du die restlichen Stunden nicht im Auto absitzen willst.«

Wenn sie irritiert war, ließ sie es sich nicht anmerken. Katjas Augen blitzten unternehmungslustig. »Du musst verrückt sein, wenn du denkst, dass ich jemanden in meine Wohnung lasse, ohne die Chance, vorher zumindest das gröbste Chaos zu beseitigen.«

Gerrit wusste nicht, warum er derart verblüfft war. Tatsächlich hatte er mit Diskussionen gerechnet – oder einem Rückzug. Aber nein, Katja öffnete die hintere Tür, warf die Sporttasche hinein, kletterte auf den Beifahrersitz und schnallte sich an. Ehe sie die Tür zuzog, sah sie ihn schmunzeln an. »Was ist? Willst du einsteigen, oder fällt dir gerade ein, dass der Weg durch deine Wohnung mit müffelnden Socken gepflastert ist?«

Er rechnete ihr hoch an, dass sie seine herabgesauste Kieferpartie nicht kommentierte. »Äh ... klar, ich ... war nur in Gedanken?«

Während er den Wagen umrundete, schalt er sich einen Idioten. Katja war weiß Gott nicht die erste Frau, die er mit in seine Wohnung nahm. Aber keine hatte ihn so aus der Fassung gebracht wie sie. Er ahnte, dass sie sich nicht wie ein erlegtes Stück Wild in sein Bett schleifen lassen würde. Aber das machte die Sache nicht weniger interessant. Ganz im Gegenteil


Weitere Teile des Blogromans »48 Stunden zwischen Himmel und Parterre« lesen Sie immer donnerstags und montags.

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