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  • Anne Stevens

»48 Stunden ...« Blogroman Teil 14


Katja. Sie schreckte aus dem Schlaf hoch und sah sich verwirrt um. Entweder quälte ganz in der Nähe jemand einen Hund und das arme Tier jaulte dabei Stones-Melodien – oder Gerrit war zurück. Spätestens als er den Refrain von Satisfaction schmetterte, ließ es sich nicht mehr ignorieren.

Katja zog die Beine an. Eingeschlafen war sie versehentlich. Eigentlich hatte sie sich während Gerrits Joggingrunde darüber klarwerden wollen, ob es nicht klug war, einen Rückzieher zu machen. So sehr sie ihre Fantasie auch bemüht hatte, um sich dieses Zusammentreffen schön zu reden, hatte ihr Verstand gemahnt, dass es weh tun könnte. Dass er ihr wehtun könnte. Weil er irgendetwas in ihr zum Klingen brachte, das sich zugleich gut und beängstigend anfühlte. Etwas, das sie vermisst hatte. Es jetzt zuzulassen und wieder zu verlieren, würde es nicht leichter machen.

Und mal ehrlich, viel gemein hatten sie nicht. Mit seiner schicken Wohnung konnte sie nicht mithalten. Obwohl, sie hatte nicht hierher kommen müssen, um es zu kapieren, denn das war ihr spätestens beim Anblick seines Oberklasse-Wagens klar gewesen.

Andererseits schien ihm an ihr gelegen. Wäre er nur darauf aus, sie in sein Bett zu zerren, es wäre längst passiert. Gewehrt hatte sie sich jedenfalls nicht. Genervt, weil all ihre Gedanken einzig um Gerrit kreisten, griff sie ein Kissen, schlang die Arme darum und legte das Kinn ab.

War es ein gutes Zeichen, dass er sie allein in der Wohnung gelassen hatte, oder nicht? Immerhin zeugte es von Vertrauen. Loswerden wollte er sie offenbar auch nicht. Und was sagte ihr das nun? Dass er unbekümmert genug war, sich nicht zu sorgen, sie könnte seine Wohnung ausräumen, es für ihn aber nichts weiter bedeutete? Dass er wirklich gern mit ihr Zeit verbringen wollte, selbst wenn sie nicht mit ihm ins Bett ging?

Mein Gott, könnte ihr vielleicht jemand ein paar Ohrfeigen verabreichen, damit das Gedanken-Karussell endlich zum Stehen kam? Überhaupt war diese innere Unruhe nicht zum Aushalten. Ihr ganzer Körper kribbelte erwartungsvoll. Dazu rumorte ihr Bauch vor Hunger und der Schlafmangel bescherte ihr ein fieses Ohr-Klingeln. Katja sprang auf, begann ziellos herumzulaufen, erreichte die Küche, machte kehrt und lief zurück zum Kamin. »Wäre ich nur nicht hergekommen, dann ...« Sie rang die Hände zur Decke.

»Dann was?«

Sie fuhr herum. Erst jetzt wurde ihr klar, dass das seltsame Grölen schon länger nicht mehr zu hören war. Wie auch? Gerrit war längst raus aus der Dusche und hatte wieder diese coole Pose am Türpfosten eingenommen. Dabei trug er lässig verwaschene Jeans, die ihm ausgezeichnet standen, und ein Shirt, das zwar nicht hauteng saß, aber figurbetont genug war, um seinen athletischen Oberkörper gut zur Geltung zu bringen. Fast wäre ihr bei dem Anblick ein lauter Seufzer über die Lippen geschlüpft. Stattdessen biss sie die Zähne aufeinander und suchte nach einer Antwort.

»Dann hätte ich jetzt keinen Hunger und wäre nicht hundemüde«, sagte sie endlich lahm. Das war nicht gelogen. Alles musste er schließlich nicht wissen.

»Ich habe dir ein Omelett versprochen und wenn du dich ein bisschen ausruhen möchtest ...«, ohne den Blick von ihr zu nehmen, stieß er sich vom Pfosten ab und kam zu ihr. »Dafür wäre ich auch zu haben. Wir müssen nicht da weitermachen, wo wir gerade aufgehört haben.«

Anscheinend war ihr die Erleichterung anzusehen, denn Gerrit lachte leise. Dabei strich er eine lose Haarsträhne aus ihrer Stirn und das fühlte sich verwirrend gut an.

»Keine Bange, ich werde dich zu nichts zwingen. Außerdem bin ich nach der Joggingrunde wirklich kaputt. Wie sieht’s aus? Bist du dabei?«

Katja dachte einen Moment nach. Wenn sie Gerrit darum bitten würde, wäre er sicher bereit, sie nach Hause zu fahren. Aber das wollte sie nicht. Also zuckte sie die Achseln und hoffte, dass es lässig aussah. »Klar, bin dabei.«

»Gut, dann setz dich an die Essbar und lass dich verwöhnen.« Gerrit legte den Arm und sie, was dieses wohlige Kribbeln, das sie in seiner Nähe fühlte, noch verstärkte. Doch er machte keine Anstalten, an den intimen Moment vor der Störung anzuknüpfen, sondern dirigierte sie zuvorkommend zu einem Hocker, den er ihr sogar zurechtrückte.

Was dann folgte, war eines Küchenchefs würdig. Gerrit hantierte so virtuos mit dem Kochmesser, dass Katja sich fragte, wie oft sie sich geschnitten hätte, würde sie versuchen, das nachzumachen. Nebenbei warf Gerrit seine Hightech-Kaffeemaschine an, deckte Teller und Besteck ein und tischte Toast und Konfitüre auf. Dann erst gab er akkurat gewürfelte Paprika in die Pfanne und briet sie leicht an, ehe der Rest hinzukam.

Katja lief das Wasser im Mund zusammen. Und es sah nicht nur gut aus, sondern schmeckte hervorragend. »Daran könnte ich mich glatt gewöhnen.«

Gerrits Braue schnellte nach oben. Er ließ die Gabel sinken und sah sie mit einer solchen Ernsthaftigkeit an, dass sie damit rechnete, er würde sie gleich vor die Tür komplimentieren, aus Angst, sie könnte zur Klette mutieren. Aber statt einen flapsigen Spruch loszulassen, nickte er so nachdrücklich, dass ihr Magen zu flattern begann – diesmal nicht vor Hunger.


Konnte es sein, dass er ebenso wenig mit der Situation umgehen konnte wie sie? Schnell schob Katja sich einen Bissen in den Mund, ehe sie wieder etwas Dämliches sagte.

Gerrit quittierte es mit einem Lachen. »Kann es sein, dass du beim Verlassen des Aufzugs die Sprache verloren hast? Wo sind die bissigen Bemerkungen hin?«

Die Frage war nicht ganz unberechtigt. Aber statt darauf einzugehen, schob sie sich einen weiteren Bissen in den Mund. Und gleich noch einen. Bis ihr klar wurde, dass Gerrit sie nicht vom Haken lassen würde, ehe er seine Antwort hatte.

Sie seufzte. »Ich weiß nicht, wie ich das finden soll. Wir kommen uns auf ziemlich schräge Art näher, aber ich bin müde, durcheinander und gleichzeitig total verwirrt, weil ich kein Wort für ... für das hier habe.«

Gerrits Blick wurde weich. »Dann sage ich dir mal, wie ich das sehe: Du haust mich total um. Trotzdem habe ich keine Ahnung, was hier passiert. Dafür kann ich dir sagen, dass ich Zeit mit dir verbringen und dich kennenlernen möchte, weil es sich gut anfühlt, dich in meiner Nähe zu haben. So gut, dass ich kein Wort dafür brauche.«

Wow, wenn das keine Offensive war, was dann? Katjas Herz raste, ihre Lider flatterten. Ungläubig sah sie zu Gerrit rüber. So direkt hatte ihr gegenüber noch kein Mann sein Interesse bekundet. Zumindest keiner, den sie nur flüchtig kannte. Dass Gerrit es getan hatte, schmeichelte ihr. Und es gab ihr die Sicherheit zuzugeben, dass es ihr genauso ging. Selbst wenn sie es nur mit einem knappen, dafür aber ernsthaften Nicken zum Ausdruck brachte.

»Dir also auch!« Gerrit lächelte dieses betörende hundert Watt-Lächeln, mit dem er selbst Eisberge zum Schmelzen bringen könnte. »Dann ist es also abgemacht. Wir gönnen uns ein bisschen Schlaf und sehen, wohin uns dieses Wochenende führt.« Er schob die abgegessenen Teller achtlos beiseite, stand auf und zog Katja ebenfalls von ihrem Barhocker.

Sie musste keine Hellseherin sein, um zu wissen, dass es wieder in sein Schlafzimmer ging. Nur trug sie diesmal kein Handtuch, sondern ein Shirt, das sie aus seiner Kommode stibitzt hatte. Es reichte knapp bis zur Mitte ihrer Schenkel.

»Steht dir«, sagte Gerrit, als sie unter seinem brennenden Blick nervös am Saum zu zupfen begann. »Lass es so!«

Seine Stimme war rau, doch der Kuss, mit dem er sie an sich zog, war weich und zärtlich. Gemeinsam sanken sie auf das Bett und kuschelten sich eng aneinander. Katja ließ die Hände auf Wanderschaft gehen und musste gleichzeitig gähnen.

»Wow«, Gerrits Augen blitzten schalkhaft. »Das nenne ich ein Kompliment.« Wieder fanden sie sich zu einem zärtlichen Kuss, der schnell an Leidenschaft gewann.

Als Gerrit sie von sich wegschob, blinzelte Katja ihn verwirrt an. »Was ist los?«

»Ich würde es vorziehen, wenn wir erst den verpassten Schlaf nachholen.«

Katja kicherte. »Was ist? Hast du Angst, dass ich einschlafe, während du ...« Sie wackelte lustig mit den Brauen.

Aber Gerrit hatte sie schon verstanden. »Glaub mir, ich leide nicht an einem schwindsüchtigen Selbstbewusstsein, aber das würde selbst meinem Ego arg zusetzen.« Wieder diese zärtliche Geste, mit der er ihr das Haar zurückstrich.

Am liebsten hätte sie geschnurrt vor Wohlbehagen. Stattdessen ließ sie sich willig von ihm dirigieren, bis ihr Rücken an seiner Brust lag. Sie spürte seine Erektion, sagte aber nichts, verschränkte die Hände mit seinen, kuschelte sich in seinen Armen zurecht und schlief satt und selig ein.


Weitere Teile des Blogromans »48 Stunden zwischen Himmel und Parterre« lesen Sie immer montags und donnerstags.

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